Viele Kinder werden nach dem von Jürgen Reichen entwickelten Konzept unterrichtet, welches lautet: "Schreiben - wie man es hört." Oder salopp ausgedrückt: "Was gestern richtig war, ist heute falsch."

 

 

Kurz nach der Einschulung ist die Begeisterung groß: „Schreiben ist soooo einfach“, stahlt Ihr Kind. Es schreibt lautgetreu: „Dea hunt beld laud.“ (Statt: „Der Hund bellt laut.“) Und erntet dafür ein dickes Lob von der Lehrerin: „Null Fehler, alles richtig.“

 

 

Motiviert durch diesen Erfolg schreibt Ihr Kind gerne und viel. So prägt sich die lautgetreue Schreibweise gut ein. Als Eltern sehen Sie die Begeisterung und das Strahlen in den Augen Ihres Kindes. Das freut Sie sehr. Andererseits ist es schon ungewöhnlich, dass so viele Fehler richtig sind. Trotz null Fehlern haben Sie nämlich Mühe zu erraten, was Ihr Kind Richtiges aufgeschrieben hat. Das Wort „ soma“ steht für „Sommer“. Gar nicht so einfach, darauf zu kommen.

 

 

Doch keine Sorge. Natürlich soll Ihr Kind die korrekte Schreibweise sukzessive in der Schule erlernen.

 

Schon wenige Wochen später, sobald Ihr Kind in die nächste Lernstufe eintritt, macht Ihr Kind daher die Erfahrung, dass das lautgetreu geschriebene Wort „soma“ nicht mehr richtig ist. Ab jetzt gibt es dafür einen Fehler. Ihr Kind muss zum ersten Mal umlernen. Aus dem Wort „soma“ wird nun „somer“. Diese neue Schreibweise gilt für mehrere Wochen als richtig. Bis eine höhere Lernstufe erreicht wird und Ihr Kind das Wort „somer“ erneut umlernt. Aus „somer“ wird „sommer“. Einige Zeit später - in einer weiteren Lernstufe - erfährt Ihr Kind schließlich, dass das Wort „sommer“ immer noch nicht korrekt ist. Sondern, dass es sich um ein Substantiv handelt, das groß geschrieben wird, nämlich „Sommer“.

 

 

Endlich am Ziel angekommen! Ihr Kind hat dasselbe Wort vier- mal lernen müssen.

 

 

soma – somer - sommer – Sommer

 

 

Und das soll praktisch sein? Welche Idee steckt dahinter?

 

 

Die Idee ist, dass eben kein zeitintensives Lernen von Vokabeln stattfinden soll. Um die Kinder davon zu entlasten, sollen stattdessen - in den verschiedenen Lernschritten – logische Regeln gelernt werden. Diese werden einfach auf alle Wörter angewendet. Nach Verinnerlichung dieser Regeln können daher sofort alle Wörter richtig geschrieben werden, so die Theorie.

 

 

In der Praxis bedeutet das viel Denkarbeit für Ihr Kind. Im Diktat oder Aufsatz muss jedes Wort auf die neue Regel hin abgeprüft werden. Manche der Regeln erweisen sich als kompliziert:

 

 

Z.B. Um herauszufinden, ob „Hund“ mit d oder t geschrieben wird, muss Ihr Kind wissen, dass es sich um ein Nomen handelt und dass der Plural (die Mehrzahl) gebildet werden muss, um das d zu hören. „Hunde“ - statt „Hunte“

 

 

Adjektive hingegen müssen gesteigert werden.. um die Endung d bzw t zu hören. z.B. „bunt, bunter“.... aber: „rund, runder“...

 

Auch Sie als Eltern sind verwirrt und fragen sich: „Was gilt denn aktuell in den Augen meines Kindes als richtig?“

 

Denn wenn Sie den Kindern das korrekte Wort beibringen, das aber nicht der aktuellen Lernstufe entspricht, wird Ihr Kind wütend. „Du weißt eben auch nicht, wie das geht “, ruft es verärgert und zeigt das falsche Wort im Heft vor:

Der Lehrer hat gesagt, dass das stimmt. Immer musst Du mich kritisieren. Ich schreibe überhaupt nichts mehr.“

 

 

Die Gefahr ist groß, dass die Kinder im Laufe der Zeit resignieren und einen der vielen Lernschritte nicht mehr mitbekommen. Dabei gibt der eine Schüler früher auf, der andere später. Zurück bleibt eine Vielzahl von Kindern mit Rechtschreibschwäche. Aus der anfänglichen Schreib-Lust wird Schreib-Frust. So die Kritik an dieser Lernmethode.

 

 

Liebe Eltern, halten Sie diese Bedenken für berechtigt? Oder sind Ihre Erfahrungen positiv? Wir würden uns sehr freuen, Ihre Meinung zu diesem kontrovers diskutierten Thema zu erfahren.

 

 

Beste Grüße

Ihr Schmökerkinder.de-Team