Fee 0001

Träumerle hat eine tolle Aufgabe: Sie verteilt jeden Abend wunderschöne Träume an die Kinder. Natürlich hat sie jede Menge zu tun. Weil so viele Kinder sie brauchen. Nach der Arbeit ist Träumerle deshalb sehr müde. Doch das ist kein Problem. Schließlich ist es ein Klacks für eine Traumfee, im Handumdrehen einzuschlafen. Oder etwa nicht?

 


Die ganze Geschichte:

Träumerle ist nicht irgendeine Fee. Sie ist eine
Traumfee. Und deshalb hat sie auch jede Menge zu
tun. Wenn die anderen Feen schlafen gehen, fängt
Träumerles Arbeit erst an. So wie heute Abend. Viele
Kinder wünschen sich nämlich einen besonders
schönen Traum von Ihr. Träumerle schwebt von Haus
zu Haus. Und weil sie die Kinder lieb hat, erfüllt sie
ihnen gerne die Wünsche. Dabei werden ihre Flügel
immer schwerer. Zum Schluss ist Träumerle
hundemüde. Mit letzter Kraft schleppt sie sich zurück
zur Feenwiese. Dort ist sie ganz leise, um die
anderen Feen nicht zu wecken.

Träumerle lässt sich ein eine herrliche Butterblume
sinken. Ihre Flügel sind schwer wie Blei.

„Es werden jeden Abend mehr Kinder, die meine Hilfe
beim Einschlafen möchten,“ denkt Träumerle stolz.
Und reibt sich die schmerzenden Flügel.
„Höchste Zeit, mich selbst ein wenig auszuruhen“,
beschließt sie.

Träumerle kuschelt sich behaglich in die Butterblume.
Die Bütenblätter sind wunderbar weich. Und durften
so angenehm. Federleicht decken sie Träumerle zu.

„Das ist herrlich“, freut sich die Traumfee. „Aber
wirklich nicht nötig. Ich könnte auch auf einer faulig
riechenden Distel schlafen“, gähnt sie. „So müde bin
ich. Sicherlich habe ich im Handumdrehen die
herrlichsten Träume.“

Da weht der Nachtwind herbei. Weil er die müde
Traumfee so gerne mag, möchte er ihr beim
Einschlafen helfen. Sanft streicht über ihre schweren
Augenlider.
“Gute Nacht, kleine Traumfee“, flüstert er.
„Danke, lieber Nachtwind“, lächelt Träumerle und
macht die müden Augen zu. Der Nachtwind wiegt die
Butterblume vorsichtig hin und her und summt ein Schlaflied.

„Das ist lieb von Dir, Nachtwind. Aber wirklich nicht
nötig“, schmunzelt Träumerle. „Weil ich doch eine
Traumfee bin. Sicherlich bin ich im Handumdrehen
eingeschlafen und habe die herrlichsten Träume.“

„Natürlich“, bestätigt der Nachtwind. “Das weiß ich
doch.“

Schon äugt der Mond aus den Wolken hervor. Weil er
die müde Traumfee so gerne mag, möchte er ihr beim
Träumen helfen. Und schenkt Ihr sein schönstes
Schlummerlicht.

„Danke lieber Mond“, murmelt Träumerle schläfrig.
„Das ist toll von Dir. Aber wirklich nicht nötig. Weil ich
doch eine Traumfee bin. Sicher bin ich gleich
eingeschlafen. Heute träume ich von Einhörnern mit
goldenen Mähnen und silbernem Fell. Auch ohne
deine Hilfe.“
„Weiß ich doch“, lächelt der Mond auf seine ganz
eigene ruhige Art.

Die Traumfee hält die Augen fest geschlossen und
denkt an Einhörner mit goldenen Mähnen und
silbernem Fell. Da beginnt ihr linker großer Zeh ganz
entsetzlich zu jucken. Vielleicht ein Mückenstich?
Träumerle setzt sich auf, um nachzusehen. Sie
untersucht den juckenden Zeh. Doch seltsam. Es ist
nichts zu sehen.
„Alles in Ordnung“, denkt Träumerle und legt sich
wieder hin. „Jetzt wird aber geschlafen“, beschließt
sie.

Ganz fest denkt Träumerle an Einhörner mit silbernen
Mähnen und goldenem Fell. Oder... waren es goldene
Mähnen und silbernes Fell? Welche Farbe haben
eigentlich die Hörner? Ohne dass sie es will, beginnt
Träumerle sich ratlos am Kopf zu kratzen.

„Was ist bloß los mit mir?“, wundert sie sich. So
etwas passiert mir doch sonst nie.

Vielleicht muss ich einfach nur ruhiger atmen, um
einzuschlafen. Träumerle macht einige besonders
tiefe Atemzüge. Dabei gerät Blütenstaub in ihre Nase.

„Hatschi“, niest die Traumfee. Und noch einmal.
„Hatischi“. So laut dass es über die Feenwiese hallt.

Erschrocken hält sich die Traumfee ein
Butterblumenblatt vor die Nase. Damit nicht alle
anderen aufwachen. Und sich wundern, warum
Träumerle immer noch nicht schläft. Schließlich ist
das doch ein Klacks für eine Traumfee oder etwa
nicht?

Verbissen legt Träumerle sich wieder hin.
„Vielleicht versuche ich es diesmal mit einem
einfacheren Traum“, beschließt sie.
Und denkt fest entschlossen an ein Pferd mit
seidigem Fell. Leider atmet Träumerle so verkrampft,
dass sie einen fiesen Schluckauf bekommt. An Pferde
ist nun nicht mehr zu denken.

„Hicks“, macht Träumerle. „Hicks, hicks.“ Anstatt im
Handumdrehen herrlich zu träumen.
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Hastig versucht
Träumerle wenigstens an ein Pony zu denken. Doch
vergeblich.
„Hicks“, macht es „Hicks, hicks, hicks“.

Es hat keinen Zweck. Seufzend steht Träumerle auf.
„Ich werde etwas trinken“, beschließt sie. „Vielleicht
geht der Schluckauf davon weg“.

Leise steht sie auf und klettert von der Butterblume
herunter. Sie macht sich auf den Weg, um mitten in
der Nacht ein Schluck Wasser zu finden. Träumerle
muss eine Weile suchen. Endlich. Unter einem
modrigen Pilz gibt es noch abgestandenen Tautropfen
vom Morgen. Der schmeckt natürlich nicht mehr ganz
so lecker. Aber was macht das schon. Nun ist der
Schluckauf weg. Und weil die Nacht schon zur Hälfte
herum ist, legt sich Traumerle unter den modrigen
Pilz zum Schlafen.

Da hört sie leise Musik aus der Ferne. Das kommt
drüben vom Froschteich - gleich neben der
Feenwiese. Jetzt kann Träumerle nicht mal mehr an
einen ganz gewöhnlichen Esel mit grauem,
struppigem Fell denken, um endlich einzuschlafen.
Wütend macht sie sich auf den Weg hinüber zum
Froschteich. Weil ihre Flügel immer noch schmerzen,
schwebt sie nicht, sondern geht zu Fuß. Mit jedem
Schritt in Richtung Froschteich wird die Musik lauter.
Und Träumerles Laune schlechter. Hauptsächlich ist
sie wütend auf sich selbst. Weil sie immer noch nicht
schläft. Sondern mitten in der Nacht durchs Gras
latscht. Das ist gar nicht schön. Sondern richtig
peinlich für eine Traumfee. Träumerle ist hellwach
und hat Lust, irgendwo Dampf abzulassen.

„Den Fröschen werde ich ordentlich die Meinung
sagen“, beschließt sie deshalb. „So ein Lärm mitten
in der Nacht. Eine Frechheit.“

Endlich liegt der Froschteich vor ihr.
Doch was ist das? Träumerles Augen weiten sich vor
Erstaunen. Da sind ja alle übrigen Feen und tanzen.
Zur Musik der Froschkapelle. Wie kann das sein? Da
fällt es Träumerle wieder ein.

„Wie konnte ich nur so verträumt sein?“, denkt sie.
„Und unser Sommerfest vergessen. Keine Fee kann
da schlafen. Weil wir doch die ganze Nacht tanzen.“

Jetzt haben die übrigen Feen Träumerle entdeckt.
„Schön, dass Du noch kommst“, strahlen sie. „Wo
warst du bloß? Wir haben schon die ganze
Feenwiese nach Dir abgesucht. Du hast doch nicht
etwa geschlafen, oder?“